Kindertagesstätten und Schulen haben die Vorbereitung der Kinder und Jugendlichen auf das Erwerbsleben fest im Blick. Einige der oben genannten Stärken von Menschen sind dabei aus dem Blick geraten, zumal sie sich der Messbarkeit weitgehend entziehen. Nicht wenige junge Erwachsene müssen die Erfahrung machen, dass ihnen die nötigen Alltags- und Lebensbewältigungskompetenzen fehlen, wenn sie die Situation mit kleinen Kindern, Haushalt, Partnerschaft etc. neben den beruflichen Anforderungen bewältigen wollen. Obwohl (oder weil?) sich die Schule nicht wesentlich bemüht, diese Kompetenzen zu vermitteln, bewirken die nach dem „Pisa-Schock“ gemachten Anstrengungen oft noch nicht einmal eine erfolgreiche berufliche Vorbereitung: Betriebe klagen über mangelnde Ausbildungsreife und die Universitäten über in vieler Hinsicht „unreife“ Studierende.
Gibt es vielleicht einen Zusammenhang zwischen den in unserer Gesellschaft bei Kindern vernachlässigten Alltags- und Lebensbewältigungskompetenzen und den Schwächen, die unser Bildungssystem nach wie vor aufweist? Zumal die Hirnforschung den Zusammenhang zwischen der Übernahme bedeutungsvoller Aufgaben und der Entwicklung auch der kognitiven Intelligenz längst hergestellt hat. So sehr diese Erkenntnisse sicher auch Herausforderung für die institutionelle Bildung bleiben müssen, so stellt sich doch die Frage, wie viel davon in Familien gelebt werden kann.
Daher schlage ich vor, dass wir „Frühförderkurse“ als flächendeckende „Frühforderkurse“ in allen Kindertagesstätten/Familienzentren und Grundschulen als Seminare für Familien einführen. Was eigentlich banal erscheint, nämlich die Kinder an der Familienarbeit zu beteiligen, ist so „aus der Mode geraten“, dass es – meiner Beobachtung nach – Eltern neu lernen müssen, wie man das einführt, durchsetzt und durchhält.
Ich stelle mir „pädagogische Kochkurse als Tagesseminare“ an Samstagen vor: die Kinder werden angeleitet, das Essen für alle Seminarteilnehmer zu kochen, um die kindlichen Selbstwirksam-keitserfahrungen sowohl für die Kinder selbst wie auch für die Eltern erlebbar zu machen. Währenddessen werden die Eltern in Gesprächsrunden zu Selbstwirksamkeit, Resilienz, altersgerechten Herausforderungen, demokratischen Familienentscheidungen…entsprechend geschult. So werden dazu auch noch die unter soziologischen und gesundheitlichen Aspekten so wichtigen Themen „Ernährung“ / „gemeinsame Mahlzeiten“ ganz nebenbei vermittelt. In den Grundschulen könnte es dann „Erinnerungsseminare“ geben, in denen die Familien überprüfen können, ob sie auf dem Stand sind, der der Entwicklung der Kinder entspricht.
Um diese Form der „Kinderarbeit“ gesellschaftlich wieder zu „normalisieren“, sollten Kinder-, Schul- und Lesebücher entsprechend gestaltet werden. Genauso wie junge Menschen in Bewerbungen mit „sozialem Engagement“ punkten können, sollte es auch zum Kriterium in Bewerbungen werden, wenn junge Erwachsene diese Beteiligung an der „Führung eines kleinen, erfolgreichen Familien-unternehmens“ vorweisen können.
Wenn wir unsere Kinder und Jugendlichen von ihrer weit- verbreiteten „Langzeitarbeitslosigkeit“ erlösen – so meine These - werden wir gesündere Kinder, leerere Kinder- und Jugendpsychiatriepraxen, entspanntere LehrerInnen, und entlastete Krankenkassen, sowie durch alltagskompetente und lebenstüchtige junge Erwachsene insgesamt einen volkswirtschaftlichen Nutzen haben. Die Kinder und Jugendlichen werden glücklicher, “würdevoller“ und entspannter sein – und ihre Eltern auch.
Beate Allmenröder, 2014