18. Rohkost-Mandala und Gute-Laune-Party

„Was die Kinder selbst zubereitet haben, essen sie meistens gerne.“,

meint Lisa. (Foto: M. Ihle)

„Ich bin eine Einkaufswagen-Guckerin!“, so stellt sich Lisa (17 J.) zu Beginn des neuen Schuljahres bei einer Kennenlern-Übung in der Klasse vor. „Einkaufswagen-Guckerin???“ „Ich schaue beim Einkaufen immer in die Wagen der anderen Leute und bin fassungslos, was die alles kaufen.“, erklärt Lisa und ist bei ihrem Lieblingsthema. Sie kennt sich mit Ernährung so gut aus, als hätte sie ihr geplantes, ernährungswissenschaftliches Studium bereits abgeschlossen. Im Laufe des Schuljahres zeigt sie, dass sie ihre Kenntnisse für sich selbst konsequent umsetzt: Sie verspeist Unmengen an frischem Gemüse und vermeidet Weißmehl-Produkte, allein Vollkornprodukte enthält ihr Speiseplan. Zucker „kommt ihr nicht in die Tüte“. Während des Schuljahres erfahren wir immer wieder – gefragt und ungefragt – viele Details ihres ernährungsspezifischen Fachwissens.


Am Ende des Schuljahres ist Lisa Jahrgangsbeste in allen Fächern! Sie scheint dieses gute Ergebnis mit Fröhlichkeit und Leichtigkeit erreicht zu haben. Während die anderen Schüler und Schülerinnen oft über den Schulstress jammerten, wirkte Lisa meistens zufrieden und entspannt. Als ich ihr beim Abschied gratulierend die Hand schüttele, drängt sich mir unwillkürlich der Gedanke auf, ob ihre Fröhlichkeit und ihr gutes Zeugnis mit ihrer Ernährung zu tun haben. Eine gewagte These – ich weiß es wohl!


Da ich nun den Bestseller „Darm mit Charme“ von Giulia Enders gelesen habe, erscheint mir mein spontaner Gedanke bei Lisas Verabschiedung weniger abwegig. In diesem vergnüglich zu lesendem Buch beschreibt die junge Medizinerin, wie der Darm unsere Laune, unsere Leistungsfähigkeit und unser Denkvermögen beeinflusse. Das habe die Wissenschaft lange unterschätzt. Wie der Darm das tue, sei vor allem von unserer Ernährung abhängig. Was Giulia Enders so spannend wie wissenschaftlich erklärt, hat uns Lisa vorgelebt. Was die junge Wissenschaftlerin besonders eindrucksvoll beschreibt, ist, wie unser Darm von guten und von schlechten Bakterien besiedelt sei: Wenn da viele von den guten leben, geht es uns gut und wir sind guter Laune. Um viele von den guten Bakterien zu bekommen, müssen wir sie füttern. Auch mit Mikroben, wie sie sich in Joghurt, Sauerkraut und anderen fermentierten Lebensmitteln finden. Wenn wir aber Zucker und Weißmehl essen, dann freuen sich die schlechten Bakterien – und feiern eine ganz üble Party in unserem Darm! (Wer mehr erfahren will und keine Lust hat, viel zu lesen, kann sich das auch als Video im Internet ansehen.)


Dass gute Gesundheit langfristig von ausgewogener und vollwertiger Ernährung abhängt, wissen wir schon lange. Aber den Zusammenhang von Ernährung und Stimmung, Lebensgefühl und Erfolg macht Guilia Enders auf lustig zu lesende Weise noch einmal neu deutlich. Vielleicht kann man an Lisa sehen, was Peter Struck (nein, nicht der Politiker, sondern der Erziehungswissenschaftler) vor Jahren schon geschrieben hatte: „Viele Verhaltensauffälligkeiten von Kindern lassen sich allein mit Ernährung steuern und überwinden“.


Allein – wie bekommt man Kinder dazu, die gute Party im Darm zu bedienen? Lisa verrät mir gerne das „Rezept“ ihrer Eltern. Im Wesentlichen heißt es: Was die Kinder selbst zubereitet haben, essen sie meistens gerne. Und im Besonderen erzählt Lisa vom „Rohkost-Mandala“. Sie und ihre Geschwister „dürfen“ vor jeder Mahlzeit aus Obst- und Gemüsestücken einen bunten Teller legen. „Sie glauben gar nicht, was für Kunstwerke wir da immer aus Kohlrabi, Broccoli-Röschen, Kiwi-Scheiben, Radieschen, Apfelschnitzen usw. kreieren. So haben uns unsere Eltern schon von klein auf dazu gebracht, sogar rohen Blumenkohl und Sellerie zu essen“, gibt sie mir gerne die Idee ihrer Eltern preis. „Rohkost gibt es bei uns vor jeder Mahlzeit. Wenn es schnell gehen muss, dann machen wir halt kein Mandala daraus,“ fügt sie eifrig hinzu. „Geht viel schneller, als einen Salat zu machen. Und man hat immer was Gesundes im Bauch, bevor man etwas anderes isst.“ Beim Thema „Ernährung“ hat sie eine Mission.


Seit Lisas überraschender Selbstvorstellung schaue ich nun selber oft in die Einkaufswagen meiner Mitmenschen. Kein Wunder, dass wir Deutschen nicht unbedingt als bestgelauntes Volk gelten!

Beate Allmenröder