Jedes Kind sucht sich seine Aufgaben aus und macht sich den eigenen Wochenplan. (Foto: M.Ihle)
Ich treffe meine Freundin Karola. „Hey, du hast Zeit zum Spazierengehen?“ Sie guckt fröhlich: „Die Kinder arbeiten zu Hause – und ich habe frei.“ Ich staune neidisch. „Wie hast du das denn geschafft?“ „O, das klappt inzwischen ziemlich gut, dass die Kinder ihre Pflichten erfüllen. – Soll ich dir unser Geheimnis verraten?“ Darauf bin ich sehr erpicht. Bei uns ist es nämlich ein ewiger Kampf, die Kinder zu irgendeiner Mithilfe zu bewegen. „Ja, sag schnell: wie schaffst du das? Ich bin nämlich in Eile. Mir hilft zu Hause keiner.“ „Das Zauberwort heißt Pläne. Jedes Kind hat seinen Wochenplan.“
Da staune ich erst Recht. Ich dachte, mit dem Ende der DDR sei die Planwirtschaft vorbei. Von Plänen halte ich irgendwie nicht so viel. Aber Karola ist eine pfiffige Frau und hat mir schon öfter verblüffenden Rat gegeben. So eile ich nach Hause – und setze mich noch am gleichen Tag an den PC.
Ich gebe mir Mühe: Eine wunderbare Tabelle, lustige Symbole (meine Kinder können wie Karolas Kinder noch nicht lesen). Dann zeige ich mein Werk stolz der Familie. Die Begeisterung hält sich in Grenzen – und es zeigt sich: die Arbeiten werden nicht erledigt!
Irgendetwas muss ich falsch gemacht haben!
Ich schnappe mir also meine wunderbaren Pläne und gehe damit zu Karola: sie schaut sie an und grinst: „Stell dir vor, dir hängt jemand einen solchen Plan vor die Nase: Hättest du Lust, den abzuarbeiten?“ Ich ahne worauf sie hinauswill, versuche aber trotzdem meine schönen Pläne zu verteidigen: „Wenn es doch nur so wenig wäre, wie die Spülmaschine ausräumen und den Müll wegbringen...“ „Siehst Du“, sagt sie, „das ist schon dein dritter Fehler“.
Ich frage verwirrt. „Drei Fehler?“ „Komm mit, ich zeig dir mal Lukas‘ und Julchens Pläne“. Am Küchenschrank hängen zwei krakelige Pläne: Auf Jules Plan ist irgendetwas Monströses zu sehen, das ich nicht erkennen kann. Außerdem erahne ich einen Eimer mit Schrubber, Socken, ein T-Shirt und eine Münze. Ich sehe noch irgendetwas Buntes und ein paar Striche. Da kommt Jule auch schon angerannt: „Soll ich dir meinen Plan mal erklären“, fragt die 6-jährige eifrig. „O ja, gerne!“ „Also: Am Samstag backe ich Brötchen“, sie zeigt mit glänzenden Augen auf das braune Monstrum „und mache mit Lukas Frühstück – ganz alleine! Am Sonntag sortiere ich die Socken, am Montag wische ich die Küche und den Flur, am Dienstag bügele ich“ – sie zeigt auf das T-Shirt. „Am – was ist das jetzt für ein Tag?“ stockt sie und zeigt auf das Wort, das wohl Mittwoch heißen soll. Ich helfe ihr. Sie fährt fort: „Am Mittwoch gehe ich einkaufen.“ „Und was machst du am Donnerstag?“ Ich kann nicht erkennen, was da zu sehen ist. „Donnerstag ist doch heute! Riechst du es denn nicht?“, fragt sie entgeistert. Doch: Es duftet verlockend nach Pizza. „Heute habe ich die Pizza gemacht. Ganz alleine den Teig - und dann alles draufgelegt“. Ach ja, das Bunte ist die Pizza! Und die Striche entpuppen sich als Treppengeländer, das sie morgen vom Staub befreien wird. „Das ganze Treppengeländer!“
Da bin ich jetzt ja echt verblüfft! Und schaue Karola fragend an. „Das kann sie schon alles?“ „Ja, klar: sie ist SECHS JAHRE alt!“ Julchen guckt etwas beleidigt: „Klar kann ich das!“ Aber stolz ist sie doch! „Erkennst du deine drei Fehler?“ fragt meine Freundin. „Deine Aufgaben sind zu leicht! Spülmaschine ausräumen und Müll wegbringen – das machen Kinder freiwillig nur so lange, wie sie es noch nicht können. Womit wir beim zweiten Fehler wären: Die Aufgaben haben sich die Kinder nicht selbst ausgesucht. Besprich mit ihnen, was sie machen wollen. Was sie sich selber ausgesucht haben, werden sie lieber machen.“ „Und mein dritter Fehler“, sage ich jetzt selbst, „war, dass ich die Pläne nicht die Kinder habe selber malen lassen.“ Karola nickt.
„Bist du auf das alles selber gekommen?“ frage ich staunend. „Nee“, lacht sie, „aber unsere Familientherapeutin ist klug. Ich verrate dir noch einen Tipp von ihr: Lass die Kinder immer mindestens zwischen zwei Aufgaben wählen. Wenn du mal nur eine Sache hast, die unbedingt gemacht werden muss, dann frag sie wenigstens, ob sie es gleich oder später machen wollen.
Da höre ich Julchen rufen: „Pizza ist fertig.“
Beate Allmenröder