Jonas, 8 Jahre, hantiert eifrig allein in der Küche.
(Foto: M. Ihle)
Es ist 18:48 Uhr. Gleich wird die Familie zum Essen kommen. Jonas, 8 Jahre, hantiert eifrig allein in der Küche. Schnell noch ein paar italienische Kräuter in die Tomatensauce geben, abschmecken. Es fehlt noch Salz. Noch mal abschmecken. Jetzt ist Jonas zufrieden. Ein Blick zur Wanduhr. Noch 10 Minuten. Die Spaghetti: noch ein bisschen zu „al dente“. Also Zeit den Tisch zu decken. Dann kommt nur noch das aufregende Nudeln-Abgießen. Der Topf mit dem heißen Wasser ist wirklich gefährlich. Geschwind schiebt er ein kleines Höckerchen vor das Spülbecken, stellt das Sieb ins Becken - und dann heißt es volle Konzentration: er trägt den heißen Topf vorsichtig zur Spüle. Man sieht Jonas an, dass er nicht zum ersten Mal Nudeln abgießt und es gelingt ihm ohne Probleme. Wieder der Blick zur Uhr: Abendessenszeit! Da kommt auch schon der Vater aus dem Garten, Mutter und Schwester sind gerade noch rechtzeitig vom Termin beim Kieferorthopäden wieder da.
Alle versammeln sich hungrig um den Tisch, Jonas serviert die Pasta – und es schmeckt köstlich!
Stellen Sie sich das Strahlen dieses Kindes während des Abendessens vor: ein stolzes, ausgeglichenes, glückliches Kind! Dazu sitzen da Eltern, die stolz auf ihr Kind sind. Und aufrichtig froh, dass jemand frisch und gesund gekocht hat, während sie noch mit anderen Familienarbeiten beschäftigt waren.
Worum es geht:
Kinder wachsen fröhlich und lebenstüchtig heran, wenn sie altersgerechte Aufgaben im Familienalltag übernehmen, auf die sie stolz sein können.
Wie wichtig dies für die Entwicklung der Kinder ist, wird allerdings häufig unterschätzt. Mit
Sätzen wie „Wenn ich es selbst mache, geht es schneller“ neigen Eltern dazu, ihre Kinder nicht
entsprechend in die Verantwortung zu nehmen.
Was Ruth Cohn, die Begründerin der Themenzentrierte Interaktion (TZI), schon vor vielen Jahren wusste, wird nun auch von der modernen Hirnforschung gelehrt:
Kinder, die frühzeitig herausfordernde Aufgaben übernehmen, die ihnen Spaß machen und an
denen sie sich bewähren können, werden selbständig, selbstbewusst und geschickt –
und zeigen höhere Lernleistungen!
An familiären Aufgaben wachsen:
Was Kinder stark, Eltern entspannt und Familien fröhlich macht.
Erstveröffentlichung in der Gießener Allgemeinen Zeitung 2014.
Hier die Anfänge der ersten 5 Blogeinträge. Alle Texte vollständig im Blog...
Richtige Mitarbeit im Haushalt macht Kinder stolz und selbstbewusst (Foto: M.Ihle)
Vor vielen Jahren in Heidelberg: Ein sehr sympathischer, junger Mann hat mich zum Essen in sein Studenten-Dachzimmer eingeladen. Wir plaudern angeregt, auf der Kochplatte köchelt es. Immer wieder einmal rührt der junge Mann im Kochtopf – nach einiger Zeit fragt er: „Jetzt kochen die Spaghetti schon fast eine ganze Stunde und immer noch ist Wasser im Topf: Wie lange muss man Nudeln denn kochen?“
Zu Gast bei meiner Freundin Karola und ihren beiden Kindern. Lange ist die Trennung von ihrem Mann noch nicht her. Der 5-jährige Lukas ist schlecht drauf – und meine Freundin scheint mit den Nerven schon ziemlich am Ende.
„Das Kind treibt mich in den Wahnsinn“, stöhnt sie. „Ich soll die kids mithelfen lassen, hat mir die Familientherapeutin gesagt. Wunderbare Idee! Mein Knabe tut aber nicht, was er tun soll!“ „Was soll er denn machen?“ frage ich. „Sollen ist eigentlich der falsche Ausdruck. Er durfte sich ja aussuchen, was er machen will. Gestern war er noch ganz begeistert von der Idee, die Treppe zu fegen.“
„Da war ja richtig viel Dreck!“, zeigt Lukas uns stolz das Kehrblech. (Foto: M.Ihle)
Jedes Kind sucht sich seine Aufgaben aus und macht sich den eigenen Wochenplan. (Foto: M.Ihle)
Ich treffe meine Freundin Karola. „Hey, du hast Zeit zum Spazierengehen?“ Sie guckt fröhlich: „Die Kinder arbeiten zu Hause – und ich habe frei.“ Ich staune neidisch. „Wie hast du das denn geschafft?“ „O, das klappt inzwischen ziemlich gut, dass die Kinder ihre Pflichten erfüllen. – Soll ich dir unser Geheimnis verraten?“ Darauf bin ich sehr erpicht. Bei uns ist es nämlich ein ewiger Kampf, die Kinder zu irgendeiner Mithilfe zu bewegen. „Ja, sag schnell: wie schaffst du das? Ich bin nämlich in Eile. Mir hilft zu Hause keiner.“ „Das Zauberwort heißt Pläne. Jedes Kind hat seinen Wochenplan.“
„Morgen backen wir die Brötchen“ ruft mein 4-jähriger. „Und zwar ganz alleine. Du brauchst uns nicht zu helfen.“ Was ist das denn jetzt für ein Einfall?? „Nein, mein kleiner Naseweis, dazu bist du noch zu klein“. „Ich bin kein Naseweis und ich bin auch nicht zu klein.“ „Du kannst doch noch keine Brötchen backen! Du weißt gar nicht, wie das geht. Außerdem ist das gefährlich mit dem heißen Ofen.“ „Doch, ich weiß, wie das geht. Wir haben das mit Lukas und Jule auch alleine gemacht“, erklärt er keck.
„Morgen backen wir die Brötchen“ ruft mein 4-jähriger.
(Foto: M.Ihle)
Unser Blick fällt wieder auf unser kleines, trauriges Gürkchen. (Foto: M.Ihle)
Gut gecoacht von meiner Freundin Karola funktioniert die Mitarbeit meiner Kinder im Haushalt seit ein paar Wochen gut: Die Kinder halten sich an ihre selbst gestalteten Pläne und erledigen ihre selbst gewählten Arbeiten.
Doch schneller als befürchtet kommt der Abend des Tages, an dem weder mein Großer die Milch eingekauft hatte, wie er es sich vorgenommen hatte, noch mein Kleiner unsere geschnitzten, antiken Holzstühle mit seinen kleinen Fingerchen vom Staub befreit hatte.